Anna Maria Brack von Bözen
Kürzlich erhielt ich eine Anfrage von Valeria aus Melbourne in Australien via meine Webseite. Mitglieder der Brack Familie aus Bözen seien nach Montevideo in Uruguay ausgewandert and später nach Australien gekommen. Eine Nachfahrin dieser Auswanderer hatte folgende Daten:
Anna Maria Brack, geboren am 8 Juni 1842 in Bözen und ihre Mutter Maria Brack, geboren am 16. September 1815, gestorben am 17. December 1869 in Bözen.
Brack ist ein sehr weit verbreitetes Geschlecht in Bözen und dem zur gleichen Kirchgemeinde gehörenden Effingen. Verschiedene Zweige sind bekannt unter Dorfnamen wie "Danielen", Zachariassen", "Kasperlis", "Wagners" usw.
Trotzdem wurde ich schnell fündig im Familienregister I, auf Seite 124. Hier die transkribierte Wiedergabe:
Geburtseintrag von Anna Maria Brack und ihrer Mutter Maria
Der Vater bzw. Grossvater der beiden gesuchten Personen ist also der 1792 geborene Hans Jakob Brack. Nach der Geburt seiner unehelichen Töchter Maria und Anna heirate er 1832 eine Maria Bär aus Menziken, die Ehe blieb jedoch kinderlos. Der eine Bruder Heinrich blieb ledig, der andere Bruder Hans Heinrich hingegen hatte zahlreiche, heute noch lebende Nachfahren. Dass diese von Ihren entfernten Verwandten in Uruguay bzw. Australien wissen, bezweifle ich.
Auch die Herkunft von Jakob Brack, geboren am 21.4. 1765, ist bekannt. Im Hausbesuchungsrodel des Pfarrers, das zwischen 1767 und 1770 erstellt wurde (Obervogt Tscharner und sein Bericht), erscheint er mit seinen Eltern.
Jacob Brack "der Müller" war um diese Zeit der Besitzer der Bözer Mühle. Dass er einen Knecht beschäftigen konnte, zeigt dass er wohlhabend war. Jacob und Maria Brack-Heuberger waren die Grosseltern der 1815 geborenen Maria.
Urgrosseltern von Maria Brack
Taufeintrag von Jakob Brack, geboren am 9. Juni 1743:
den 9. brachmonat:
Par: Caspar Brack, Müller
Magdalena Heuberger
Test: Hans Jogg Brack, patris frater
Ursula Heuberger
Par=Parentes (Eltern), Test=Testes (Zeugen)
Taufeintrag von Maria Heuberger, geboren am 25. September 1740:
page 224 1740
P: Heinrich Heuberger
Maria Amssler
T: Rudi Dätwyler
Maria Beldi
Par=Eltern, Test=Zeugen
Die Heirat der Ehepaares Caspar Brack und Maria Heuberger fand am 16. März 1730 statt.
Die Brack ziehen nach Brittnau
Wie aus dem Familienregister zu entnehmen ist, war dieser Zweig der Brack Familie, genannt «Alt Müllers» ums Jahr 1800 nach Zofingen gezogen. Ein Nachfahre der Familie hatte seine Nachforschungen 1980 dokumentiert und eine Kopie seiner Aufzeichnungen im Gemeindearchiv Bözen hinterlassen, hier ein Auszug daraus:
Jakob Brack (1765-1838) liess sich in Altachern zu Brittnau nieder. Dort kaufte er am 31. Dezember 1819 von Rudolf Plüss ein Heimwesen, es kostete 800 Gulden. Seine Frau, die er 1786 heiratete, hiess Anna Ackermann (1766-1838) und stammte aus Riniken. Der Ehe entsprossen 3 Kinder:
- Heinrich (1797-1839) starb unverheiratet.
- Hans-Jakob (1792-1844) war Küfer in der Altachern in Brittnau AG. Seine Ehe mit Maria Bär von Sumiswald blieb kinderlos. Doch hatte er vor seiner Heirat zwei uneheliche Kinder, Maria (*1815) und Anna (*1823).
- Hans Heinrich (1799-1865) war Wagner und heiratete 1822 Elisabeth Hug aus Rütschelen BE. Er siedelte sich im Grod in Brittnau an und bewirtschaftete nebenbei ein bäuerliches Heimwesen. Eines der 11 Kinder war Samuel Brack (1843-1906). Dieser konnte 1877 von seinem Schwiegervater Jakob Burgheer die wenige Jahre zuvor erbaute Wirtschaft zur Moosersäge in der Gemeinde Wiliberg erwerben. Während 23 Jahren bewirtschafteten die Eheleute Brack-Burgherr das Heimwesen. Seine Frau Lisette führte die Wirtschaft, Samuel betrieb eine Schreinerei. Im Jahre 1900 verkaufte er die Wirtschaft für Fr. 11'000.-
Dieses Restaurant wird heute noch betrieben.
Aus der nächsten Familie schien sich niemand um ihre unehelichen Cousinen Anna und Maria gekümmert zu haben, sie waren auf sich allein gestellt. Es gibt keine Angaben, was aus der 1823 geborenen Anna geworden ist. Ihre ältere Schwester Maria lebte im Kanton Baselland, zuerst in Bubendorf, dann in Arlesheim. Im Alter von 25 Jahren gebar sie am 8. Juni 1842 in Bubendorf ein Mädchen, das ihr im November des gleichen Jahres vom Bezirksgericht Brugg zugesprochen wurde. Getauft wurde Anna Maria Brack am 3. Juli 1842 in der Kirche von Bözen.
Uneheliche Kinder sind eine Belastung für die Gemeinde
Die grassierende Armut war ein gewaltiges Problem für die armen ländlichen Gemeinden, denn diese waren verantwortlich für das Wohl der ärmsten Bürger, die dort heimatberechtigt waren (Amsler in Switzerland).
Obwohl die ledige Mutter Maria im Kanton Baselland wohnte, wurden die unehelichen Kinder für ihren Heimatort Bözen zu einem Problemfall, wie dies an der Ortsbürgerversammlung vom 3. Juli 1842 protokolliert wurde. Aufgrund der Steuerliste gab es 104 Stimmberechtigte, davon waren deren 65 an diesem Tag anwesend.
Der Fall Maria Brack
Der Gemeindeammann Brak erklärt, die uneheliche Tochters des
Jakob Brak Küffer von Bötzen, wohnhaft in der Altachen bei
Zofingen, sei dieser Tagen durch die Polizei, mit einem von
ihr ausserehelich geborenen Kinde, in die Gemeinde gebracht
worden, und lebe nun auf Kosten der Gemeinde, was nun
wohl hierin zu thun sei. Es wurde der Antrag gestellt,
dass ein Mitglied vom Gemeinderath auf Zofingen zu
deren Vater gehe um zu erwirken, dass er seine Tochter
so wie das von ihr ausserehelich geborene Kind erhalte
welcher Antrag einhellig mit Handaufheben zum Schluss erho
ben wird
Es war naheliegend, dass die Behörden versuchten, eine andere Gemeinde zu finden, die sich des Problemfalles Brack annahm und für die drohenden Unterhaltskosten für die alleinstehende Mutter und ihr uneheliches Kind aufkommen würden. Man wendete sich nun an Zofingen, bzw. Brittnau, wo der Vater von Maria wohnte.
Dieser Artikel gibt einen Einblick in die damaligen Verhältnisse und erklärt die kaltherzig erscheinenden Handlungen der Behördenmitglieder.
Wie der behördliche Besuch in Brittnau beim Vater von Maria ausging, ist nicht überliefert. Vielleicht hatte er sich gefreut, Grossvater geworden zu sein. Auf jeden Fall war er und seine Ehefrau nicht bereit, sich der kleinen Anna Maria anzunehmen. Die Verantwortlichkeit für ihren Unterhalt lag weiterhin bei der Heimatgemeinde Bözen.
Auch Maria musste weiterhin für sich selbst sorgen und eine neue Anstellung finden. Sieben Jahre später war sie wieder schwanger, diesmal in Arlesheim. Auch der Vater der zweiten Tochter blieb unbekannt, die kleine Maria Elisabeth wurde ebenfalls in Bözen getauft, am 5. November 1849. Dort fand das Kind im zarten Alter von zwei Jahren auch seine letzte Ruhe.
Die Mutter Maria Brack verstarb im Alter von 46 Jahren im Armenhaus von Bözen, einen Ehemann hatte sie nie gefunden. Am 31. Dezember 1869 wird von der Armenpflege in Bözen protokolliert:
von den hinterlassenen Gegenständen der verstorbenen Maria Brack, alt Müllers im Armenhaus hat die Mithausbewohnerin Susanne Kistler, Miggenen, sich angeeignet:
- ein paar neue Finken, wert Fr. 1.-
- eine braune tüchene Jaken, wert Fr. 2.-
- ein Armkorb, wert Fr. 1.-
- ein Strohsack, wert Fr. 1.-
- ein mahnetschloss, wert Fr. -.50
- Ein Windel, wert Fr. -.50
Summe Fr. 6.-
es wird beschlossen; es sei dies an ihrem Conto abzurechnen.
Der bescheidene Besitz wurde nach ihrem Tod genau berechnet und dem Armengut zugeschlagen, in der Sitzung vom 21. Januar 1871 wurde die abschliessende Rechnung präsentiert:
Eine Rechnung über den Nachlass im hiesigen Armenhause verstorbenen Maria Brack, alten Müllers, abgelegt von Johannes Kistler, Weibel, wird durchgesehen und genehmigt. Das fruchtbare Vermögen betragend Fr. 33.93 soll dem hiesigen Armengut zukommen, da man sie von Jugend auf zeitweise aus dem Armengut unterstützen musste.
Die Tochter Anna Maria hingegen wurde der Mutter weggenommen. Zuerst war es die Witwe Ursula Heuberger in Bözen, die dem Kleinkind für ein paar Jahre ein Heim bot. Später wurde es verdingt. Wie es damals üblich, war kamen diejenigen Eltern zu Pflegekindern, die am wenigsten Kostgeld für deren Unterhalt verlangten. Fast jedes Jahr wechselte Anna Maria zu anderen Leuten. Dass sie dort Zuneigung fand ist wenig wahrscheinlich, eher das Gegenteil war der Fall.
Kinder waren damals vor allem billige Arbeitskräfte. So zeigt dieser Eintrag in der Armengut Rechnung von 1852, dass Kinderarbeit damals gang und gäbe war, ja sogar durch Ausbildung gefördert wurde:
…bezahlt der Strohflechterin Anna Wüst von Lupfig für Einführung der Strohflechterei für arme Kinder Fr. 2.50
Bis zu Ihrem 14. Altersjahr lebte Anna Maria Brack bei einem halben Dutzend verschiedener Familien. Manchmal nur für kurze Zeit, meistens für ein Jahr. Der längste Aufenthalt war beim Schmid Johann Heuberger in Bözen. Dann kam sie nach Schinznach, dann Effingen, einmal sogar nach Riehen, vielleicht in der Nähe der Mutter, die in Basel im Dienst war. Es muss ein trauriges Leben gewesen, getrennt von ihrer Mutter, bei fremden Familien und nirgends zugehörig.
Auswanderung nach Amerika
In dieser Zeit war es zu einer grossen Auswanderungswelle gekommen, vornehmlich nach Amerika, aber vermehrt auch nach Südamerika. Die beträchtliche Stärke der Südamerikaauswanderung übertraf 1856 sogar die nach Nordamerika (Gemäss Kapitel V «Die Auswanderung nach Südamerika» von Berthold Wessendorf, erschienen 1973 in Argovia Band 83).
Dabei nahm Brittnau eine besondere Stellung ein. Wessendorf schreibt über Siedlungen in der Nähe von Rosario in Argentinien:
«Obwohl hier die Berner dominierten, begegnen wir noch einmal einem bedeutenden Aargauer Kontingent. 1884 schickte ein gewisser Fritz Kunz von Brittnau aus San Geronimo Reisegeld an seine Verwandten in der Heimat. 1885 erwähnte der dortige Gemeinderat in einer Verteidigung gegen den Vorwurf der Abschiebung sogar eine «Brittnauer Colonie» in Argentinien. Man wird annehmen dürfen, dass diese nicht näher bezeichnete Kolonie entweder San Geronimo Sud oder eine der benachbarten Siedlungen war. Auch liegt der Schluss nahe, dass die ungewöhnlich hohe Zahl von 23 Südamerikaauswanderern, welche die Statistik 1873 für Brittnau angibt, eben den Kern dieser «Brittnauer Colonie» bezeichnet».
Deswegen liegt es nahe, dass die Verbindung von Maria Brack und ihrer überlebenden Tochter Anna Maria nach Brittnau intakt waren, denn diese Kontakte waren wahrscheinlich der Grund, dass sich Anna Maria für eine Auswanderung nach Südamerika entschied. Vielleicht war sie sogar Teil einer Gruppe von Brittnauern, die gemeinsam die grosse Reise über den Ozean antraten.
Anna Maria Brack in Uruguay
Wir wissen zwar nicht genau, wann und wohin Anna Maria ausgewandert war. Doch ich gehe davon aus, dass es kurz nach 1862 gewesen sein muss, nachdem Anna Maria das Alter von 20 Jahren erreichte hatte.
Wenig später gründete sie nämlich zusammen mit Friedrich Ühlenbeck eine Familie in Südamerika. Die erste Tochter Anna wurde 1866 in Uruguay geboren.
Von Valeria, einer Nachfahrin der Auswanderer, vernahm ich, dass der Ehemann von Anna Brack ein ähnliches Schicksal teilte wie seine Gattin. Friedrichs Mutter arbeitete als Magd in Darmstadt und gebar dort ein Kind eines unbekannten Vaters. Die Familie, für die sie arbeitete, führten eine Druckerei und der uneheliche Sohn Friedrich konnte dort das Buchdrucker Handwerk erlernen. Er eröffnete in Montevideo ein Geschäft als Buchbinder.
Die Familie vergrösserte sich, wie auf diesem Bild aus dem Jahre 1888 ersichtlich ist. Die Eltern in der Mitte sind umgeben von einer Kinderschar von acht Mädchen und einem Knaben:
Valeria hat einen sehr gut dokumentierten Stammbaum verfasst, der auch Online verfügbar ist.
Anna Maria Uhlenbeck-Brack um 1888:
Die vielen Schweizer in Uruguay hatten eine Stadt gegründet namens «Colonia Suiza» die später als «Nueva Helvetica» umbenannt wurde. Käse in Uruguay werden oft nach Schweizer Methoden hergestellt, der berühmteste davon heisst «Queso Colonia», kurz für «Colonia Schweizer Käse».
Auf Youtube findet sich ein kurzes und informatives Video genannt Swiss Colony in Uruguay von «Rare Earth». Es vermittelt einen Eindruck über die Geschichte der Schweizer Auswanderer in Uruguay.
Mütterliche Linie von Maria Brack
Dank der Anfrage von Valeria habe ich einen weiteren interessanten Aspekt unserer Auswanderungsgeschichte kennengelernt und mehr über die weitverzweigte Familie Brack aus Bözen erfahren.
Mit unserem Informationsaustausch konnten wir der Herkunft der mütterlichen Linie einwandfrei feststellen. Unter ihren Vorfahren ist die gesuchte Anna Maria, die nach Südamerika ausgewandert war, wie auch deren Mutter, die 1815 in Bözen geborene Maria Brack.
Wir sind verwandt
Die Vorfahren von Maria Brack in Bözen gehen auf die Müllerdynastie Brack zurück, die im 18. Jahrhundert Mühlenbesitzer in Bözen und Effingen waren. Diese hatte verwandtschaftliche Verbindungen mit den Heuberger und Amsler in Bözen, zwei weitere Familien von Müllern. Dies ist ersichtlich bei den Gross- und Urgrosseltern von Maria Brack:
- Maria Brack (1815-1869)
- Vater: Hans Jakob Brack (1792-1844), ihre Mutter ist unbekannt
- Grosseltern väterlicher Seite: Jakob Brack (1765-1837) und Anna Ackermann (1766-1838)
- Urgrosseltern väterlicher Seite: Jacob Brack, Müller (1743-1778) und Maria Heuberger (1740-1818)
- Ururgrosseltern väterlicher Seite: Caspar Brack (*1730) und Magdalena Heuberger (1711-1747) sowie Heinrich Heuberger (1701-1781) und Maria Amsler (1700-1777).
Die obige Maria Amsler aus Bözen ist auch in meinem Stammbaum. Somit haben Valeria und ich gemeinsame Vorfahren, es sind dies Hans Amsler (*1652) und Anna Heuberger (*1656). Wir sind demzufolge Cousins 8. Grades.
Dass wir uns auf diesem Weg und über Kontinente hinweg gefunden haben, zeigt die vielen Möglichkeiten der Ahnenforschung.