Die wankelmütige Braut

Das Chorgerichtsmanual von Bözen gibt uns einen einzigartigen Einblick in die jungen Jahre von Hans Amsler, auch bekannt als Beldi Hans. Hans will Anna Heuberger heiraten, aber er hat zwei Nebenbuhler. Die wankelmütige Anna macht es ihm nicht einfach. Wie dieser Kampf ausgeht, verraten die Aufzeichnungen des ehrsamen Chorgerichts zwischen 1676-1678.

Anna und ihre drei Verehrer

Einträge des Pfarrers der Kirchgemeinde Elfingen (so hiess damals die heutige Kirchgemeinde Bözen) beleuchten das Verhalten der jungen Anna Heuberger und ihrer verschiedenen Verehrer von März 1675 bis zur Heirat im Januar 1679.

Choir court of March 17th 1675, part 1
Chorgericht vom 17. März 1675, Teil 1

Den 17. Marty ist Chorgericht gehalten worden in bysein des Hr. Overvogts
darfür sind erschienen Hanss Amssler von Bötzen, Hs.Jogeli Schwartz
von Efigen und Baschi Kistler von Bötzen und Anna Maria Hewberger (geb. ca 1650?)
mit ihrer Mutter auch von Bötzen, dise drey sprechen die Hewbergerin ahn
der Ehe halben an: Betreffend den Amssler sagt derselbige er habe Ihra
einen Ring gegeben und darzu gesprochen, wan sie den Ring behalte, so muste sie
ihne auch haben, dass seige geschehen in gegenwart des Vatters und der Mutter
der Vatter zwar habe hinder dem Ofen geschlaffen aber die Mutter habe alles
gesehen und gehört und nichts wiedersprochen. Die tochter habe den Ring auch
ein geraume Zeit behalten biss das Hs.Jogli Schwartz von Effigen
kommen und auch umb sie gebuhlt, da habe sie Ihme den Ring widerumb geben
wollen
.

Zusammenfassung Teil 1

Am 17. März 1675 berät das Chorgericht über Anna Heuberger und ihre 3 Verehrer; Hans Amsler, Hans Jogeli Schwartz und Baschi Kistler. Auch der Obervogt des Amts Schenkberg ist anwesend. Die drei jungen Männer haben Anna Heuberger „auf die Ehe angesprochen“. Hans Amsler sagt aus, er habe Anna in Anwesenheit ihrer Eltern einen Ring übergeben. Der Vater habe den Antrag von Hans zwar „hinter dem Ofen“ verschlafen, aber die Mutter habe es gehört und nicht widersprochen. Anna habe den Ring auch eine "geraume Zeit" behalten, jedoch nur bis sich Hans Jogeli Schwartz auch um die Anna bewarb. Darauf habe Anna den Ring zurückgeben wollen, aber Hans wollte ihn nicht annehmen.

Choir court March 17th, 1675, part 2
Chorgericht vom 17. März 1675, Teil 2

wollen, aber er habe den selbigen nit wöllen annemmen. Betreffend dem
Hs.Jogli Schwartz hat derselbige den Marx Hertzig von Efigen mit sich genommen
als er sie zur Ehe nemmen wolte, der als er vermerkke dass der mit-
Buhler habe sagt ausstruckenlich wan sie andere lieber habe als ihn, so
sols sie es nur sagen so weller er Ihra müssig gehen, darauff sie ihmme geant:
wortet Nein: darüber hin seig sein Bruder Caspar Schwartz mit hinzuthun
des Weibels von Thalheim in dass Hauss ihres Vatters gangen und formalich
umb sie angehalten, die Eltern gefraget ob sie ihre Tochter seinem Bruder zum
Weib geben wollen, darauff ihme dise antwort geben, wan sie die tocher
bereden können, so seige sie auch zufrieden; darüber entlehnte Hs.Jogli Schwartz
einen Thaler von Marx Hertzig und gab Ihra denselbigen zur Ehe den sie auch ge-
nommen: Worüber die Mutter nahen Efingen kommen in eines Chorrichters Hauss
mit Namen Hs.Ulrich Sigerist, Ihnne beschickt und befohlen der solle hingehen zum
Predicanten nach Elfigen Ihme anzusprechen dass der die Hochzeit verkünden, welches
auch geschehen, allein wegen vorstehender hlr (heiliger) Zeit ist solches vermitten bliben.
Betreffend dem Baschi Kistler seyte der selbige er hatte die besten recht, Er habe
sie zu aller erst genommen, allein ist dasselbige mit Condition geschehen, der Heu-
bergerin Eltern haben Ihmme Ihres gutt versprochen
  wan sie nemblich ihmme dass
Gutt dazu geben wollen welches zwar die Eltern thun wollen, weilen aber
noch andere kinder mehr vorhanden und darwider protestiert und die sach
vor den Hr. Obervogt kommen hat er solches nit gutt heissen können, worauff der
Kistler geantwortet so begere er der tochter auch nichts, dan anderst habe er sie
auch nit genommen, worüber andre Buhler sich bey ihren angemeldet, als der Kistler
solches gesehen, spricht er sie von newem an der Ehe halben, er habe sie aber an dem
Tag an welchem sie vor dem Hr. Obervogt gewesen, wiederumb genommen und Ihra einen
Nasenlumpen zur Ehe gegeben. Darüber ist von dem Hr Obervogt und dem Chor-
gericht erkent worden, sie mit einandern für dass ehrsamme Chorgericht naher Bern
zu schicken
.

Zusammenfassung Teil 2

Der zweite Verehrer Hans Jogli Schwartz fragt Anna an, ob sie ihn heiraten wolle. Sie sagt zu und zusammen mit seinem Bruder Caspar sowie dem "Weibel von Thalheim" besucht er Anna’s Eltern und hält um die Hand der Tochter an. Die Eltern sagen zu, sofern ihre Tochter auch einverstanden sei. Hierauf borgt Hans Jogli einen Thaler von Marx Hertzig und übergibt diesen als Zeichen seines Eheversprechens. Anna nimmt den Antrag an.

Die Mutter von Anna bittet nun den Chorrichter Hans Ulrich Sigrist, er solle den Pfarrer in Elfingen auffordern, die Ehe zu verkünden. Dies sei jedoch unterlassen worden wegen der „bevorstehenden heiligen Zeit“, dem Osterfest.

Dies ruft den dritten Verehrer auf den Plan, nämlich Baschi Kistler, der für sich in Anspruch nimmt er habe die "besseren Rechte" weil er als erster die Anna zur Frau nehmen wollte. Allerdings ging es dem Baschi wohl weniger um Anna, sondern mehr um das zu erwartende Eigengut der Zukünftigen. Anna Heuberger war aus einer vermögenden Familie, vermutlich die damaligen Eigentümer der Bözer Mühle. Anna’s Geschwister jedoch wehrten sich gegen dieses Ansinnen und wurden vom Obervogt dabei unterstützt. Damit erlosch die Leidenschaft von Baschi Kistler für seine Anna bis zu dem Moment, wo er sie gänzlich zu verlieren drohte. Als Kistler nämlich von den anderen Buhlern vernahm, versuchte er nochmals das Glück zu wenden. Er gab Anna einen "Nasenlumpen" als Zeichen seines Eheversprechens. Das ist nun selbst für die erfahrenen und ehrsamen Chorrichter zuviel verlangt und die ganze Geschichte musste an das Oberchorgericht in Bern weitergeleitet werden zur Beurteilung.

Wie der Bescheid von Bern aussah, wissen wir nicht, es scheint aber keine abschliessende Klärung der Sachlage erfolgt zu sein.

Eine aussereheliche Schwangerschaft

Im Januar 1678 übernimmt Daniel Frey aus Brugg das Pfarramt der Kirchgemeinde Elfingen. Er ist Nachfolger des Bruggers Jacob Fröhlich, der während 10 Jahren als Predicant tätig war. Frey ist der Pfarrer, welcher jetzt die Vorgänge im Chorgericht beschreibt. Hier geht es um die Befragung zur Schwangerschaft von Anna Heuberger.

Transkription Chorgerichtsprotokoll vom 30. August 1678

Den 30. Augusti 1678
Ist Chorgricht gehalten worden und citiert Anna Heüberger
und Hans Beldi beide von Bötzen. Ist Anna befragt worden ob
sy nit schwanger und wer sy geschwecht habe? hat sy bekent
das sy schwanger seige und der Hans Beldi habe sy schwanger
gemacht; welches Beldi wider grusamen schwür die er
im pfrund hauss gethan und hart zum zeüg genommen.
bekenet; darüber sy befragt wie lang es seige das sy zum
erstn mahl ein ander  theilgasttig worden habe sy gesagt am
abend alls er an des Hans Fuchsen hochzeit geladen, (die hochzeit
aber ist gehalten worden den   .ten Octobris 1677.). Welches er auch be-
kant. Da er sy auch beredt er wölle sy nit bekriegen und
wolle ihre ein thaler auff die eh geben welches er hart
verleugnet. Sind dem Hr. Obervogt zu erkent worden

Zusammenfassung

Hans Beldi und Anna Heuberger werden vor das Chorgericht zitiert. Anna bekennt ihre Schwangerschaft und benennt den Kindsvater, Hans Beldi. Dieser bestreitet trotz der harten Befragung alles. Der Obervogt muss nun entscheiden.

Die beiden waren schon seit Oktober 1677 ein Liebespaar. Dies zeigte Folgen. Eine uneheliche Schwangerschaft war ein äusserst schwerwiegendes Delikt. Nur ein Eheversprechen und eine Heirat konnten die Schande eines unehelichen Kindes abwenden.

Der Pfarrer Daniel Frey, erst seit sechs Monaten im Amt, war noch nicht vertraut mit der Familiengeschichte von Verena Brändli und ihrem ersten verstorbenen Ehemann Amsler. Deswegen kennt er unseren Protagonisten Hans Amsler nur als "Beldi Hans". Wir wissen jedoch, dass es Hans Amsler und Anna Heuberger sind, die sich in der Zwischenzeit gefunden hatten.

Transkription Chorgerichtsprotokoll vom 13. September 1678

Die Sach ist für den Junkherren Obervogt geschlagen worden
hat sy der Junckherr Obervogt den 13. 7bris (September 1678) zu Bötzen im
Wirtshauss selbs in gesessnem Chorgericht erhört und
sind obgesetzte persohnen auff ihrer und bestandig erbly…
der Hans Ambsler aber hat noch mahl alles geleugnet
sind nach Bern gewyssen und zusammen erkennt worden
mit beding das er die Heübergeren, (welche zu Töringen
kindts genässen.) nach dem neüwen Jahr solle zu Kilchen
führen oder den eid vor statt und land heben. Welches auch
den 9. Januar 1679 kilchrecht mit ihra Anna Heüberger gehalten.

Zusammenfassung

Am 13. September 1678 tagt das Chorgericht im Wirtshaus zu Bözen (Gasthaus Bären), diesmal in Anwesenheit des Obervogtes. Hans Amsler leugnet nochmals alles. Aber das Oberchorgericht in Bern hat schon entschieden. Mit diesem letzten Eintrag in der Sache wird klar gemacht, dass Hans Amsler seine Anna Heuberger heiraten muss. Diese Heirat wurde dann auch mit einem ordentlichen Kirchgang am 9. Januar 1679 bestätigt. Bis zur Heirat verbringt Anna einige Zeit in Thörigen, einer Gemeinde im Kanton Bern, unweit von Herzogenbuchsee.

Ein Kind wird getauft

Dass die voreheliche Schwangerschaft einen gesunden Sohn hervorbrachte, bezeugt dieser aufschlussreiche Nachtrag in den Kirchenbüchern im Jahre 1698. Der Pfarrer von Herzogenbuchsee hatte diese Taufe nach Bözen gemeldet, wo diese 20 Jahre nach der Geburt im Taufregister eingetragen wurde:

Hans Amsler's birth record 1678

Den 24. Nov: 1678 ist ein Sohn getaufft worden.
Par: Hanns Amssler
        Anni Heüberger
Inf: Hans
Test: Joseph Staub
          Joggi Gygax
         Babi Hoofstet.
Dieser Sohn ist getaufft worden zu Hertzogen-Buchsee,
wie es bescheint und auss dem Tauffrodel auss-
gezogen der diesmahlige Predikant daselbsten
Herr Dan: De Losea
Copiert und in den
Tauffrodel der Kirchen
Bötzen gethan von Joh:H:Fätscherin, pastor loci den 4. Jan: 98

Ein glückliches Ende

Anschliessend an die Geburt des kleinen Hans kommt es, wie vom Chorgericht verordnet, zur kirchlichen Trauung, wie dieser Eintrag um 1679 verrät:

Hans Amsler's marriage to Anna Heuberger 1678

Anno 1679

Den 9. Jan: 1679 habend sich ynsängen lassen
Hans Ambsler und Anna Heüberger

Den 3. Marty 1679 habend sich ynsgnen lassen
Hans Joggli Karli von Villigen und Verena Kässer

Den 27. Marty Baschi Stilli und Verena Huntziker
Von Stafelbach auss der Kilchhöri Schöftland.
Eodem die. Hanss Hubeli und Anna Schneittler

Den 23. May 1679 Hanss Fuchs, Anna Heüberger

Source: Bözen KI03, 1604-1684, Seite 237

Im Vergleich zu anderen Jahren, werden im Jahr 1679 nur wenige Ehen geschlossen, dies wohl als Folge der Pestzeit 1668, die sehr viele Opfer forderte.

Hans Amsler taufte mit Anna Heuberger 12 Kinder, das letzte im Jahre 1700. Im hohen Alter von 77 Jahren hatte er weit über 20 Grosskinder. Zwei seiner Söhne wurden Müller in der Mühle Bözen und in der Sagenmühle Effingen. Einige der Nachfahren zogen weg aus dem Fricktal. Der eine heiratete die Müllerstochter Katharina Handschin in Buus im Kanton Baselland, übernahm die dortige Mühle und wurde der Stammvater der Amsler von Buus.

Ein anderer fand den Weg in die Mühle von Fraubrunnen im Kanton Bern, wo noch heute dessen Nachfahren leben als Bürger von Bözen.

Nachkommensliste von Untervogt Kaspar Amsler (1595-1668)

1. Amsler, Kaspar, Untervogt, * Bözen 21.12.1595, + 1668
oo I. 1624 Verena Büchli
oo II. Effingen 1636 Anni Vögtli

10 Kinder von No. 1
2. Amsler, Johannes, * Bözen 14.08.1625, +1658
oo 13.12.1647 Verena Brändli
3. Amsler, Heinricus, * 02.10.1627
4. Amsler, Anna, * 03.04.1629
5. Amsler, Ursula, * 25.03.1631
6. Amsler, Verena, * 24.11.1633
7. Amsler, Verena, * 22.02.1635
8. Amsler, Margret, * 02.07.1637
9. Amsler, Heinrich, * 22.07.1638
oo 1659 Margreth Herzog
10. Amsler, Jacob, * 27.09.1640
11. Amsler, Latrina, * 20.08.1643

2b. Beldi, Uli, * Rüfenach. +1668
oo 24.10.1659 Verena Brändli

6 Kinder von No. 2
12. Amsler, Verena, * 29.04.1649
13. Amsler, Anna, * 19.01.1651
14. Amsler, Hans, “Bäldi Hans”, * 04.01.1652, + 30.04.1729
oo 09.01.1679 Anna Heuberger
15. Amsler, Anna, * 02.10.1653
16. Amsler, Susanna, * 02.09.1655
17. Amsler, Madlena, * 09.08.1657

4 Kinder von No. 2b
18. Beldi, Heinrich, * 14.10.1660
19. Beldi, Anna, * 27.10.1662
20. Beldi, Conrad, * 21.05.1665
21. Beldi, Hans Jacob, * 29.09.1667

12 Kinder von No. 14
23. Amsler, Hans, * Herzogenbuchsee 24.11.1678, + 1762
24. Amsler, Sebastian, “Baschi”, Müller, * Bözen 07.10.1679, + 20.05.1761
oo 10.11.1719 Marie Stilli
25. Amsler, Johann Heinrich, “Sagenmüller”, * 05.06.1681
oo 02.12.1707 Ursula Brugger
26. Amsler, Magdalena, * 28.01.1683
27. Amsler, Elsbeth, * 04.10.1685
28. Amsler, Hans Jacob, “Beldi Schuhmacher”, * Bözen 03.04.1687
oo 20.06.1720 Maria Kistler
29. Amsler, Caspar, “Beldi Kaspar”, * Bözen 02.08.1688, + 01.07.1767
oo 27.02.1722 Elisabeth Kistler
30. Amsler, Anna, * 16.10.1692
31. Amsler, Ursula, * 16.10.1692
32. Amsler, Rudolf, “Beldi Ruedi”, * Bözen 30.05.1696, + 16.07.1766
oo 17.09.1723 Verena Läubli
33. Amsler, Verena, * 20.02.1698
34. Amsler, Maria, * Bözen 02.06.1700

Quellen: Chorgerichtsmanuale 1636-1684, Pfarrarchiv Bözen

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